Der Auftritt ist der zweite auf der ausgedehnten Tournee, die „Unheilig“ in viele Städte auch im Ausland und auf alle wichtigen deutschen Festivalbühnen bringen wird.
Bei unserer Ankunft in Osnabrück bei der Disco „Hydepark“, einen typischen Zweckbau in einem Gewerbegebiet gelegen, war der Parkplatz schon gut gefüllt. Viele holländische Nummernschilder fanden sich und eine relativ große Anzahl von Fahrzeugen, die schon eine ziemliche Fahrt hinter sich hatten. Es gibt nämlich viele Fans, die auf einer Tournee der Band weite Anfahrten auf sich nehmen, um sich mehrere Auftritte anzusehen. Und: Hamburg ist ausverkauft, deswegen wurde im Internet schon angeraten, auf andere Orte auszuweichen.
Der Einlass sich noch ein wenig auf sich warten und die Wartezeremonie ging wie immer in der Szene komplett ohne Gedränge vor sich. Was sofort auffiel war, dass sich erstmalig vermehrt Besucher einfanden, die nicht der „schwarzen Szene“ zugehörig waren. Der Hyde-Park zeigte sich innen von einer deutlich besseren Seite, der Innenraum birgt eine relativ kleine Bühne und eine gemütliche Aufteilung mit Stehtischen und Sitzecken. Und wie bei allen Unheilig-Konzerten brauchte der Konzertbesucher sich nicht von unfreundlichem Security-Personal durchsuchen lassen. Es war schon bekannt gemacht worden, dass einfache nichtprofessionelle Kameras mitgebracht werden dürfen. Alle Bedienstete sind freundlich, ja überaus höflich und eine entspannte Atmosphäre beginnt sich zu verbreiten. Die Vorfreunde und Neugierde auf das Konzert sind bei den Fans fast schon körperlich spürbar.
Der erste Weg führt wie immer zum Merchandising-Stand, wo die Devotionalien der Bands käuflich zu erwerben sind. Und es lohnt sich, denn die Eintrittskarte enthält einen Gutschein für einen Tonträger mit unveröffentlichten Aufnahmen, die es nur auf der Tournee geben wird. Wir stehen also am Stand und wer steht in der Ecke, umgeben von einigen Fans: „Der Graf“ lässt es sich nicht nehmen, auch kurz vor dem Auftritt seinen Fans die Aufwartung zu machen. Geduldig schreibt er Autogramme und lässt sich gemeinsam mit holden Schönheiten fürs heimische Fotoalbum fotografieren. Dieses Verhalten behält der Sänger also immer noch bei und überall hängen kleine Schilder, dass er auch 20 Minuten nach der Show weitere Autogramme geben wird. Völlig entspannt, freundlich lässt sich der „Graf“ sich dieses Bad in der Menge nicht nehmen, ja er scheint sogar Energie dadurch für seine Auftritte zu tanken.
Wenig später beginnt die erste Vorgruppe ihren Auftritt. Es ist „faq“ aus der Schweiz. Eine dreiköpfige Formation, die sich düsteren Elektropopklängen verschrieben hat. Sie stellen ihr neues Album „Whitechapel“ vor, das sich mit den Morden des „Jack the Ripper“ beschäftigt. Die Gruppe ähnelt vom Gesang her dem harten industriellen Sound von „Skinny Puppy“ und erhält freundlichen Applaus. Die Stimmung ist gut und alle freuen sich nach dem Umbau auf die zweite Band.
Es wird „Down Below“ sein. Diese Formation ist eine junge Newcomer-Band, die sich dem Goth-Rock verschrieben hat. Sie spielten die Songs ihres Albums und natürlich auch „Sand in meiner Hand“ durfte nicht fehlen. Mit diesem einzigen deutschsprachigen Song konnten sie beim „Bundesvision Song Contest“ von Stefan Raab einen sensationellen 4. Platz erlangen. Die Gruppe hatte im Publikum schon eine Menge Fans. Einige der weiblichen Zuhörer sind auch nur wegen des charismatischen Sängers gekommen.
Langsam wurde das Publikum warm und nach einem weiteren kurzen Umbau und Aufbau der obligatorischen Riesenkerzenständer, stieg die Spannung ins Unermessliche.
Die Nebelmaschine wurde gestartet, das Licht gedimmt. Nur die großen Kerzen erhellen die Bühne. Der Keyboarder Henning betritt die Bühne und feuert das Publikum an. Der Gitarrist „Licky“ kommt hinzu und schon donnert das Intro „Vorhang auf“ aus den Boxen. Übergangslos beginnt dann das Stück „Puppenspieler“ und „Der Graf“ entert mit seiner unglaublichen Bühnenpräsenz das Geschehen. Wieder schließt sich ohne Bruch mit „Spiegelbild“ der dritte Titel der aktuellen CD an. Mit diesem furiosen Auftakt hat die Band das Publikum komplett in den Bann gezogen. Es folgen dann zwei langsame Titel und mit diesem Mix aus energiegeladenen Electro und ruhigen Balladen wird „Unheilig“ den Abend bestreiten. Bestens aufgelegt animiert „Der Graf“ das textsichere Publikum zum Mitsingen und Mitmachen. Neben den Titeln des neuen Albums stehen neue Interpretationen einiger „Klassiker“ auf dem Plan. Deutlich ist ein größerer Anteil der E-Gitarre zu erkennen, es gibt erstmalig sogar zwei Solos. Die Keyboards sind ebenfalls härter eingesetzt.
Einen emotionalen Höhepunkt bekam das Konzert, als der Graf den Song „An deiner Seite“ erläuterte. Es ist ein sehr persönlicher Titel für einen guten Freund, von dem in naher Zukunft endgültig Abschied genommen werden muss. „Unheilig“ wird diesen Titel unabhängig vom Fan-Voting als Single veröffentlichen, um diesem Menschen ein Denkmal zu setzen. Dem „Grafen“ versagt fast die Stimme und nach dem Song verlässt er kurz die Bühne, um sich wieder zu sammeln. Das Publikum weiß mit dieser Situation gut umzugehen und verzichtet bis zur Wiederkehr des Sängers auf Applaus oder Zwischenrufe. Eine fast unheimliche Stille verbreitet sich im Raum. Doch der Graf knüpft dann wieder mit dem nächsten Titel an die energiegeladenen Stücke an.
Nach 15 Stücken ohne Pause, verabschiedet sich die Band erst einmal von der Bühne. Doch ohne Zugaben kommt die Band nicht davon. Mit der hymnenartigen Ballade „Mein Stern“ endet der zweite Zugabenblock und nach zwei Stunden Spieldauer auch das Konzert.
Nach insgesamt vier Stunden geht eine großartige Veranstaltung zu Ende und ich kann mir noch die Setliste des Grafen sichern …