Walter Isaacson. Elon Musk: Die Biografie. C. Bertelsmann Verlag (12. September 2023), gebunden, 832 Seiten, ISBN-13: 978-3570104842
Elon Musk ist der Kopf und Gesicht von Marken wie paypal, Tesla, SpaceX und zuletzt Twitter. Doch er hat auch Firmen wie The Boring Company und Neuralink gegründet bzw. finanziell unterstützt, die nicht so im bekannt sind. Er ist ein polarisierender Charakter. Viele halten ihn für ein Genie und vielleicht genau so viele für durchgeknallt.
Walter Isaacson, der auch schon die Biografie von Steve Jobs geschrieben hat, hat sich hier wieder an eine große Aufgabe gewagt. Es ist schon beeindruckend in den Anlagen zu lesen, wie viele Interviews er binnen zweier Jahre geführt hat. Elon Musk hat das Verfassen der Biografie legitimiert, aber wohl nicht in das Schreiben eingegriffen, sondern das Manuskript vorab gar nicht gelesen. Umso mehr ist also der Autor in der Verantwortung gewesen, einen guten Job zu machen.
Isaacson beginnt klassisch, Musks Lebenslauf zunächst chronologisch zu beschreiben. Eine nicht unbeschwerte Kindheit in Südafrika mit einem schwierigen Vater bestimmen die ersten Jahre. Elon Musk entzieht sich dieser Umgebung so rasch er konnte und versuchte sein Glück in den USA.
Vieles ist bekannt über die Erfolgsstory von Elon Musk. Mit dem Verkauf von paypal verdiente er eine Menge Geld, um dieses dann in seine zwei Hauptprojekte, dem elektrischen Auto und dem Flug ins All zu investieren. Dass dieser Weg nicht einfach gewesen ist, sondern Musk und seine Unternehmen mehrfach vor dem finanziellen Aus standen schildert der Autor nachvollziehbar.
Nachhaltigkeit im großen Stil (Tesla) und die Besiedlung des Mars bevor sich die Menschheit auf der Erde vernichten kann, sind die Träume und Ziele von Elon Musk. Dabei denkt er immer groß, versteht aber auch die Details. Um seine Ziele zu erreichen, nimmt er wenig Rücksicht auf sein privates und berufliches Umfeld. Das Ergebnis zählt für ihn. Er ergreift ungewöhnliche Maßnahmen in der Produktion seiner Elektrofahrzeuge und Raketen. Die Produktionsprozesse werden optimiert und er wirft eine Menge an Ballast über Bord. Und dies auch gegen den Rat seiner Mitarbeitenden. Wer den Weg nicht mitgehen will, kann gehen oder wird gegangen. Er erscheint hier erschreckend rücksichtslos.
Isaacson versucht dem Leser die Beweggründe zu schildern und zu erhellen, wie Musk tickt, der von sich selbst behauptet, Asperger zu haben und unter einer bipolaren Störung zu leiden. Es scheint aber dafür keine „offiziellen“ belastbaren Diagnosen zu geben. (Oder dem Verfasser der Biografie war es nicht wichtig, dieser Merkmale der Persönlichkeit von Musk zu hinterfragen).
Walter Isaacson räumt dem privaten Leben von Musk an jeder Stelle einen großen Raum ein und hat eine Vielzahl von Menschen im Umfeld befragt. Heraus kommt eine Bild, dass Musk immer versucht, seine Familie zu schützen und ein gutes Oberhaupt zu sein. Doch für einen Menschen, der eigentlich immer arbeitet und in einer Vielzahl von Unternehmen Verantwortung trägt, ist das natürlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Dieses Dilemma wird für den Leser verständlich gemacht.
Musk ist ein Getriebener von seinen Ideen und Zielen und von dem Wunsch, sein Leben irgendwie dennoch im Griff zu behalten. Zu seinem Vater hat er immer noch ein schwieriges Verhältnis, das sich über die Jahre nicht bessert, sondern in die gegenteilige Richtung strebt. Seine Partnerinnen haben es nicht leicht mit ihm. Seinen Kindern versucht er ein guter Vater zu sein, was aber mit seiner psychischen Verfassung und seinem Arbeitspensum natürlich nicht einfach ist.
Isaacson beschreibt Musk als einen Menschen, der in verschiedene Modi schaltet. Da ist der kindliche Musk, der Spaß an Nonsens, da ist der gnadenlose Einpeitscher, der das Ziel erreichen will, koste es was es wolle, und da ist der analytische Musk, der genau weiß, wie er Dinge umgesetzt haben will. Dass damit viele Menschen aus seinem Umfeld nicht klarkommen, ist verständlich. Er hat nur wenige feste soziale Anker, die er aber benötigt, um weitermachen zu können.
Einen großen Anteil des Buches widmet Isaacson der Twitter-Übernahme durch Musk. Dieser hat das Unternehmen wahrscheinlich zu teuer gekauft und den Deal mehrfach fast platzen lassen. Doch als der Deal abgeschlossen war, erobert er die Twitterzentrale mit seinen Angestellten. Das Arbeiten bei Tesla und SpaceX unterscheidet sich sehr von der Unternehmenskultur bei Twitter. Musk entlässt die Mehrzahl an Angestellten dort und versucht, Twitter mit seinem Toolkit an Maßnahmen zu einem Konzern nach seinen Vorstellungen umzugestalten, was eine wahrhaft große Aufgabe ist. Dabei steht er sich immer wieder selbst im Weg und „schießt sich immer wieder selbst in den Fuß“ wie er treffend erkennt.
Damit ist die Biografie in der aktuellen Gegenwart angekommen.
Isaacson schafft die Gradwanderung, dem Leser den Menschen Musk – privat wie beruflich – näher zu bringen und das in ihm wohnende ständige Dilemma aufzuzeigen. Ihm gelingt es auch, nicht wertend zu sein, sondern bleibt immer auf der sachlichen Ebene. Nur wenige Male werden wertende Begrifflichkeiten verwendet, die dann allerdings umso mehr auffallen. An einigen Stelle hätte das Lektorat der deutschen Übersetzung intensiver einsteigen sollen, da es Satzkonstruktionen gibt, die den Lesefluss dann doch sehr stören.
Der Autor sollte Fleißpunkte erhalten, da eine Schilderung des Lebenslaufs des Menschen Musk schon eine große Aufgabe ist, die als Ganzes gesehen, gut gelöst worden ist. Der Schreibstil ist unterhaltend und gut zu lesen.
Was bleibt nach Lektüre des Buches:
Elon Musk ist auf alle Fälle eine schillernde Persönlichkeit und wichtig für viele Entwicklungen auf dieser Welt. Es bleibt zu hoffen, dass er sein Ziel, den Mars zu kolonisieren, erleben wird. Zuzutrauen ist ihm das.
Wie er als Unternehmer zu bewerten ist, zeigt die Zukunft, wenn er Tesla und SpaceX erhalten und weiter nach vorne bringen kann.
Was aber sicher ist: Elon Musk hat die Welt auf alle Fälle ein wenig verändert. Vielleicht sogar zum Guten. Viele Menschen, die mit ihm oder in seinen Unternehmen gearbeitet haben, werden ihn dennoch hassen.
Walter Isaacson hat als Autor Biografien über Jennifer Doudna, Leonardo da Vinci, Steve Jobs, Benjamin Franklin und Albert Einstein verfasst. Er ist ehemaliger CEO des Aspen Institute, ehemaliger Präsident von CNN und ehemaliger Herausgeber von „Time“.