Andreas Eschbach. Todesengel. 541 Seiten. Lübbe.
Mit „Todesengel“ legt Andreas Eschbach wieder einmal kein Buch aus dem phantastischen Genre vor, sondern einen sogenannten Thriller, wie auch auf dem Schutzumschlag richtig vermerkt ist. Und es ist wirklich ein Thriller und manchmal keine ganz leichte Kost.
Erich Sassberg zeigt gleich zu Beginn des Buches Zivilcourage, was viele Politiker aktuell von allen Bürgern gerne einfordern. Doch sein Eingreifen bei eine Sachbeschädigung in einer U-Bahn Station hätte ihm das Leben gekostet, wenn nicht der titelgebende Todesengel eingegriffen hätte. Eine strahlende Gestalt mit zwei Pistolen, die ohne Warnung davon gebraucht macht. Beide Täter werden kurzerhand erschossen. Erich Sassberg überlebt schwer verletzt. Doch dies ist nicht der einzige Fall, in dem der Todesengel aktiv wird. Er liquidiert Skinheads bei einem Angriff auf eine Punk und verhindert auf seine blutige Art eine Vergewaltigung.
Doch die eigentliche Hauptperson des Romans ist Ingo Praise, ein erfolgloser Journalist. Er arbeitet für das „Abendblatt“ und wird mehr oder weniger ungewollt in den Fall um den Todesengel hineingezogen. Das Abendblatt betreibt einen lokalen Fernsehsender. Praise wird zum Moderator des Formats „Anwalt des Bürgers“. Hier agiert er als Gegenpol zur Erfolglosigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei. Diese verdächtigen nämlich zunächst Erich Sassberg des Mordes an seine Angreifer. Das Opfer wird damit zum Täter. Und die Täter werden zu Opfern. Denn Medien, Soziologen und auch die Sprecher der Regierungsorgane versuchen zu beweisen, dass die liquidierten Täter nicht Schuld an ihrer Aggression sind, sondern die Gesellschaft, die Schule und das Elternhaus.
Das führt soweit, dass dem von Jugendlichen angegriffene Kampfsportler David Mann vorgeworfen wird, er hätte sich zu brutal verteidigt – hier hatte der Todesengel nicht eingegriffen und die Angreifer überlebten.
Doch Ingo Praise nimmt die wahren Opfer in Schutz und stellt die Angreifer an den Pranger. Er demontiert live in seiner Sendung einen Soziologen, der die Täter verteidigt. Er interviewt Menschen aus schlechtem Elternhaus und beweist, dass auch eine negative Sozialisation nicht bedeuten muss, dass der Mensch ein Gewalttäter wird. Praise hat viel Erfolg mit seiner Sendung und macht sich seitens der Polizei damit keine Freunde. Sein Redakteur ist dabei nicht wirklich eine Stütze, denn dem geht es nur um die Einschaltquoten.
Ingo Praise schließlich landet nach der Aufklärung wieder dort, wo er begonnen hat. Andere nehmen seinen Ruhm für sich in Anspruch. Andere, die weniger oder keine Skrupel haben.
Das große Thema in „Todelengel“ ist, ob der Staat mit seinen Organen den Menschen in der heutigen Zeit noch beschützen kann. Aber kann Selbstjustiz eine legale Antwort darauf sein? Andreas Eschbach ist ein scharfer Beobachter der Gegenwart und stellt unangenehme Fragen, die gar nicht einfach zu beantworten sind. Gibt es ein Entweder Oder? Oder ist es nicht gerade die Grauzone dazwischen, die betrachtet werden muss? Oder gibt es gar keine schnelle einfache Antwort?
Das Buch fesselt den Leser von der ersten Seite an und ist sehr stringent aufgebaut, bisweilen erscheint es aber schon ein wenig zu stark durchkonstruiert. Die Personen sind lebendig geschildert, wobei die Charakterisierung und die Motivation des Todesengels selbst ein wenig blass bleiben.
Der Roman ist spannend bis zur letzten Seite und damit wirklich ein Thriller. Der Leser wird dabei aber immer zum Nachdenken aufgefordert und muss Position beziehen. Ist der Todesengel ein Held, weil er Menschenleben rettet oder ist er ein Verbrecher, weil er dabei auch Menschenleben nimmt?
Doch diese Fragen kann der Roman nicht beantworten, das muss schon jeder Leser für sich selbst tun.
Das Buch wirde über http://www.bloggdeinbuch.de/ zur Verfügung gestellt.