„In einer anderen Welt“ von Jo Walton. Golkonda-Verlag 2013. ISBN 978-3-942396-75-2. 298 Seiten Klappbroschur.
„Was mir an Science Fiction schon immer gefallen hat, ist, dass es einen dazu bringt, über alle möglichen Sachen nachzudenken und sie aus einem Blickwinkel zu betrachten, an den man bisher nie gedacht hat.“ Seite 53
Liest man den Klappentext, so könnte man glauben, dass „In einer anderen Welt“ ein Jugendbuch sei. Darauf würde auch hindeuten, dass das Buch die Tagebucheintragungen der fünfzehnjährigen Morwenna enthält. Sie lebt in einem Internat, nachdem sie von zuhause weggelaufen ist. Ihr Vater, den sie eigentlich noch nie gekannt hat, bezahlt die Kosten und hat die Aufsicht über seine Tochter bekommen. Morwenna nennt ihre Mutter immer eine Hexe und das schient nicht nur ein dummer Spruch zu sein. Ihre Zwillingsschwester ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, bei dem sie selbst schwer verletzt worden ist und deshalb von allen sportlichen Aktivitäten, die einen Großteil des Unterrichts im Internat ausmachen, befreit ist. Sie hat deshalb viel Zeit zum Lesen und nutzt dies auch aus. Sie bewältigt ein gewaltiges Pensum an Lektüre und hat bald die Internatsbibliothek und auch die für sie relevanten Bestände der örtlichen Bibliothek durch. Doch macht die Entdeckung der Fernleihe, über die jedes Buch, das sie sich nicht selbst kaufen kann, beschafft wird.
Ihre Leidenschaft gilt der Science Fiction und guter Fantasy. LeGuin, Delany, aber auch Heinlein wird von ihr verschlungen. Dazu kommt klassische Literatur wie die Werke von Platon…
Doch sie hat eine besondere Gabe, denn sie kann Feen sehen und mit diesen zum Teil kommunizieren. Für sie ist dies selbstverständlich, denn auch andere können in ihrer Anwesenheit diese seltsamen Wesen sehen.
Das Buch kann durchaus als Jugendroman gelesen werden, doch dadurch wird man den Facetten des Werkes bei weitem nicht gerecht.
Morwenna ist mit ihrer Jugend viel reifer und erfahrener als die meisten Erwachsenen. Diese Reife hat sie sich nicht nur angelesen, sondern selbst erfahren. Und sie hat den meisten Menschen in ihrer Umgebung eines voraus. Sie hat keine Vorurteile und verurteil ihr Gegenüber nicht nach dem äußeren Eindruck. Sie hat Zeit, ihre Umwelt zu betrachten und sich Gedanken über das Leben, die Menschen und den ganzen Rest zu machen.
Jo Walton charakterisiert Morwenna dermaßen detailliert und einfühlsam, dass sie für den Lesen zu einer wahren Freundin wird. Morwenna hat kein einfaches Leben, doch sie sieht immer das Positive für sich und findet immer eine Lösung, auch für die schwierigsten Lebenssituationen. Sie ist eine wahre Philosophin und gleichzeitig eine Lebenskünstlerin.
Dieses Buch bietet für den geneigten Leser mit eine SF und Fantasy Background eine wahre Fundgrube für phantastische Bücher. Morwenna hat zu jedem der vielen Bücher, die sie gelesen hat eine Meinung und vergleicht sie mit anderen Werken.
Ein Buch, das wirklich Spaß macht und dabei hochintelligent ist. Lesen!
(Empfohlen vom literarischen Quartett (Ralf Bodemann, Christian Hoffmann, Udo Klotz und Stefan Kuhn) als eine der Perlen der SF 2013 auf dem Muccon 2013 in Garching.)