Messias-Maschine von Chris Beckett. Knaur Taschenbuch 2012. 336 Seiten. Originaltitel: The Holy Machine. Übersetzt von Jakob Schmidt. ISBN: 978-3426511190
Der Ich-Erzähler dieses Romans lebt in der Stadt Illyria-City in einer nahen Zukunft. Die Gesellschaftsordnungen, wie sie der Leser in der Jetztzeit kennt, gibt es nicht mehr. Die Staaten haben sich in kleine Hegemonien aufgelöst und religiöse Führer haben die Macht übernommen. Dabei wurde moderne Technologie verdammt und wird nicht mehr benutzt. Religiöse Traktate gelten nun als allein seligmachende Verfassungen und regeln das Zusammenleben in diesen Kleinstaaten. Nur im Stadtstaat Illyria, gelegen im Balkan mir Griechenland als Nachbarn mit Zugang zum Mittelmeer wird die Fahne der Vernunft, sprich der Wissenschaft und Technik, noch hochgehalten. Die Nachbarstaaten sind sozial und technologisch ins Mittelalter zurückgefallen. Armut und Krankheiten bestimmen das Leben der Menschen außerhalb der Mauern der Stadt. Hier haben mechanische Geschöpfe viele Tätigkeiten im Alltag übernommen und den vielen Gastarbeitern nach und nach Lohn und Brot genommen. George, der Protagonist, arbeitet als Dolmetscher in Illyria. Er lebt mit Anfang zwanzig noch bei seiner Mutter, die allerdings fast den ganzen Tag in einer künstlichen Scheinwelt, dem SenSpace, verbringt. George verliebt sich in eine mechanische Prostituierte Lucy und verfällt dieser zusehends mehr und mehr. Er bekommt Kontakt zu Marija, die aufklären soll, warum immer mehr der mechanischen Wesen sich gegen ihre Programmierung auflehnen das Land verlassen. Gefühle entstehen zwischen den beiden. Doch er kann keine Beziehung zu ihr aufbauen. Marija hat Kontakte zu einer Untergrundorganisation und möchte ihn rekrutieren. Doch das alles wird zu viel für George und er flieht mit Lucy, die zu einer abtrünnigen Maschine wird, ins Ausland. Dort muss er die wahre Identität von Lucy verschleiern, da die Nicht-Illyrier in den dem Menschen nachempfundenen Wesen, den Teufel sehen. In Lucy erwacht immer mehr eigene Persönlichkeit und schließlich kommt es zur Katastrophe. Lucy wird in ein Haus gejagt, das angezündet wird. George verliert nun auch den letzten Halt in dieser Welt. Doch dann begegnet er dem Maschinen-Messias, der Friede und Liebe in die Welt bringt.
Technik und Wissenschaft treffen auf Religion und Ignoranz. In diesem Spannungsfeld entwirft Chris Beckett eine düstere Welt voller Hass, Hunger und Krankheit. Die leuchtende Stadt Illyria stemmt sich dagegen, bekommt aber mit ihren Maschinen Probleme, die so nicht geplant waren. Die Maschinen entwickeln Persönlichkeit. Doch was macht einen Menschen aus und kann eine Maschine sich zu einem menschenähnlichen Wesen entwickeln. Das sind zum einen technische Aspekte, aber auch die Religion hat etwas dazu zu sagen. Kann eine Maschine eine Seele haben oder bekommen? Bekommen bestimmt nicht. Entweder man hat von Geburt an eine Seele oder eben nicht, so die allgemeine Meinung. Doch die Roboter entwickeln Persönlichkeit, die innerhalb ihrer Programmierung steckt. Damit ist dieser Funke schon bei der Geburt, dem Einschalten der Maschine latent vorhanden. Also können Maschinen doch eine Seele haben? Eine Maschine schließlich bringt der Welt als Messias Einigkeit und Frieden und wird damit menschlicher als die Menschen selbst.
Beckett nimmt sich eines wahrlich schwierigen Themas an. Letzte Antworten kann er keine bieten. Das erwartet wohl auch keiner. Doch liefert eine Menge an Denkanstößen während des Romans und beleuchtet das Thema von verschiedenen Zeiten, ohne mit dem Dampfhammer eine bestimmte Meinung zu vertreten. Dies wird dem Leser überlassen. Um die Thematik hat er einen spannenden Roman geschrieben, der zu fesseln weiß, obwohl er in der Mitte einige Längen aufweist. Doch dann wird wieder Fahrt aufgenommen und dem Leser ein offenes Ende mit Platz zum Nachdenken angeboten. Lesenswert.