Kapitel 4: Leblos lebhaft

Im ersten Moment war es mucksmäuschenstill im Aufwachraum. Auch in der hermetisch abgeriegelten Operationseinheit war alles ruhig. Nur die Monitore am Arbeitsplatz von Dr. Frey, der jungen Bordärztin piepten. Sie überwachten nicht nur die Lebens­funktionen der vier Geborgenen, sondern auch die des zweiköpfigen Operationsteams. „Commander Weser, kommen Sie bitte mal her?“, die Stimme der Ärztin durchschnitt die Stille. Keine zwei Sekunden später stand Commander Weser hinter der Ärztin und schaute auf den Monitor. „Was ist mit dem Doppelgänger von Dr. Franc passiert?“ „Das ist – glaube ich – im Moment weniger wichtig. Schauen Sie sich bitte mal Monitor 4 an.“ „Ja, gut, keine große Gehirntätigkeit, aber das ist doch nichts Neues!“ „Das ist aber der Monitor, der die Lebensfunktionen von Dr. Franc überwacht!“ „Was!“ schrie der Commander und schaute entsetzt Dr. Frey an, „Was bedeutet das, Dr. Frey?“ „Ich weiß auch nicht. Aber lassen Sie mich mal etwas ausprobieren.“

Sie ging zu der großen Glasscheibe und drückte den Kommunikationsbutton. „Dr. Franc, drehen Sie sich bitte mal zu uns.“ Der Angesprochene drehte sich der Scheibe zu. Er wirkte seltsam unbeteiligt. „Heben Sie bitte den Arm.“ Die anderen schauten gebannt auf den leitenden Bordarzt, der aber nicht reagierte. „Heben Sie bitte den rechten Arm.“ Jetzt hob Dr. Franc sofort den rechten Arm. „Das habe ich befürchtet!“ „Was haben Sie befürchtet?“, der Commander schaute sie erwartungsvoll an. Diese drückte den Kommunikationsbutton aus und antwortete: „Das da drinnen ist nicht Dr. Franc. Dr. Franc ist tot. Dies da ist nur sein Körper!“

Entsetzen machte sich breit, nur der Kommandant hatte sich wieder gefangen. „Wie kommen Sie darauf, Dr. Frey?“ „Nun, zum einen zeigt er herabgesetzte Gehirntätigkeit wie die anderen, die wir aufgeweckt haben und zum anderen kann er nur ganz präzise Anleitungen ausführen – fast wie ein Roboter. Probieren Sie es selber aus. Fragen Sie ihn irgendetwas Persönliches. Ich gehe davon aus, dass er es nicht beantworten kann.“

Der Commander stellte die Leitung zum Operationsraum wieder her. „Dr. Franc“, der Angesprochene drehte sich ihm zu, „lassen Sie uns auf den Schreck heut abend einen Drink in den „Schönen Weltraumaussichten“ nehmen.“ Die Kneipe im GGT 2220 hieß anders – das wussten alle – die „Schönen Weltraumaussichten“ war eine legendäre Bar auf der Erde, die vor der Besetzung der DaRGs immer traditionell von den Astronauten besucht wurde, wenn Raumschiffe sich auf eine längere Mission ins All begaben. Alle schauten gespannt auf Dr. Franc. Er reagierte überhaupt nicht.

Commander Weser schaltete die Leitung zum OP wieder aus und drehte sich dem Sicherheitsingenieur zu. „Der Operationsraum ist sicher, oder?!“ Fish nickte. „Die Schleuse ist dicht. Niemand kann rein oder raus. Aber was ist mit Schufo?“ An den OP-Assistenten hatte in der Aufregung keiner mehr gedacht. „Da schauen Sie, Commander.“ Hinter der Scheibe tat sich was. Der vermeintliche Dr. Franc ging zu dem vierten Behälter und wollte ihn öffnen. Commander Weser rief über den OP-Lautsprecher: „Schufo, hindern Sie ihn daran. Er darf den Behälter nicht öffnen!“ Der OP-Assistent versuchte den Arzt zu stoppen. Da kam „Bill 2″ dazu und legte seine Hände um das Handgelenk von Schufo. Dieser schaute ihn zuerst ungläubig an und dann hinunter auf sein Handgelenk. In Sekunden lief das Gelenk grünlich an. Dann hörten die Leute vor der Scheibe dieses grässliche Piepen, das anzeigte, dass etwas mit den Lebensfunktionen von Schufo nicht in Ordnung war. „Er ist tot!“, Dr. Frey bestätigte, was alle sowieso schon wussten, denn in der Zwischenzeit lag Schufo völlig grün angelaufen auf dem Boden des OP-Raumes.

Weser rief Fish zu: „Vernichten Sie alles in dem Raum!“ Dieser nickte Pinto zu und drückte dann eine blaue Taste im Sicherheitsdisplay. Pinto rannte an die hintere Ecke des Raumes. Mit einem Sicherheitscode bestätigte er dort die Entscheidung. Die Sicherung wurde vor Jahren nach einer KTQ-Zertifizierung eingebaut, um zu verhindern, dass ein Mensch allein die Vernichtung allen Lebens in dem Raum auslösen konnte. Sofort schoß aus Düsen an der Decke und im Boden ein Gas, das den ganzen Raum einnebelte.

Von Ralf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.