Beyond Berlin: Teil 1: Ein kleiner Schritt für ein Mädchen von Björn Sülter. Verlag In Farbe und Bunt, Dezember 2018. 78 Seiten. ISBN-13: 978-3959361347
„Die Welt war zu einem riesigen, dreckigen, albtraumhaften Ghetto verkommen.“ Dieser Satz beschreibt die Welt, in der die junge Frau Yula lebt, sehr genau. Sie haust alleingelassen in einer Hausruine in West-Berlin. Immer auf der Suche nach Nahrung und sauberen Wasser, immer mir der Furcht vor Überfällen und Gewalt. Das Klima besteht aus einem ewigen Winter mit grauen Wolken und Stürmen. Die Temperaturen sind eisig. Eine Regierung mit einem Kanzler gibt es irgendwo in Ost-Berlin. Sie kümmert sich um diese Reste der Zivilisation in der sogenannten dunklen Zone. Zwölfmal im Jahr muss jeder Bürger im „Center für Integration und Transfer“ melden, sonst verliert man die Zuteilung des monatlichen Hilfspaket und wird zur „Integration“ arrestiert. Dort gibt es zwar etwas zu essen, aber die Regierungsangestellten sind ebenso gewalttätig wir die Banden außerhalb der Gefängnisse. Mit der regelmäßigen Meldung besteht die Chance auf den Transfer in eine Habitatszone, wo sich die Reichen und Mächtigen einen angenehmen (Über-)Lebensraum geschaffen haben. Eine zusätzliche Gefahr außerhalb der wenigen geschützten Räumen sind die Schatten, zombieähnliche Geschöpfe, die nicht irdischen Ursprungs sind und die sich überwiegend von Leichen zu ernähren scheinen. Auch die Regierungskräfte sind machtlos gegen diese Wesen und überlassen ihnen die Straßen.
Yulas Eltern sind mit ihrer Schwester nach Ost-Berlin aufgebrochen, da sie Tickets für den Transfer vom Raumhafen Marzahn nach New Berlin, einer Kolonie außerhalb der Erde bekommen haben. Sie mussten Yula zurücklassen. Doch nun meldet sich ein Freund ihres Vaters sie soll sich in den Osten der Stadt aufmachen, um ebenfalls diese Reise anzutreten. Denn sie ist etwas Besonderes und soll sie Welt retten.
Der Autor wirft den Leser mitten hinein in diese düstere Zukunft der Menschheit, in der die Protagonistin Yula bisher erfolgreich überlebt hat. Mit wenigen Strichen beschreibt er ein Szenario, in dem das Leben so unmenschlich geworden ist. Dennoch hat sich Yula eingerichtet und den Gefahren getrotzt. Dieses vertraute Leben verläßt sie und ihre Reise durch die Postapokalypse ist eine gefährliche Angelegenheit. Der Autor zeigt dem Leser eine wahrlich nicht angenehme Welt. Doch Yula ist stark, schlägt sich durch und erreicht in diesem ersten von drei Teilen ihr erstes Zwischenziel. Ihr altes Leben läßt sie hinter sich und vertraut auf die Chancen, die sich ihr bieten.
„Beyond Berlin“ besticht durch eine knappe, klare Sprache. Die Szenen werden nicht mit vielen unnötigen Worten ausgewalzt, sondern vieles – und gerade das Grauen – entstehen im Kopf des Lesers. Yula ist schnell sympathisch und hat sich in ihrem Leben zurechtgefunden. Die Annehmlichkeiten, die für uns heute selbstverständlich sind, vermisst sie nicht wirklich, da sie sich diese nur schwer vorstellen kann. Das Habitat in Ost-Berlin erlebt sie wie ein unwirkliches Paradies und sie ist neugierig auf New Berlin.
Björn Sülter gelingt mit diesem ersten Teil, der für einen angemessenen Preis angeboten wird, den Leser von der ersten Zeile zu fesseln und nicht mehr loszulassen. In der heutigen Zeit sind solche Texte ja eher die Ausnahme.
Wer also kürzere Texte, wie zum Beispiel Novellen, lieber liest als ziegelsteindicke Mehrteiler, ist mit „Beyond Berlin“ sehr gut bedient und wird gerne mit Spannung auf die folgenden Episoden warten. Wer moderne Science-Fiction mit einer genreübergreifenden Thematik und dazu viel Action mag, sollte ebenfalls zugreifen.
Teil Zwei ist bereits für Juni 2019 angekündigt.