Nach diesem sechsten Erzählstrang entwickelt sich die Geschichte quasi wieder zurück. Der nächste Teil ist wieder „Somnis Oratio“, dann folgt die Fortsetzung von „Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish“ und so fort. Das Buch schließt dann mit dem „Pazifiktagebuch des Adam Ewing“ ab.

Und wie schon geschrieben, sollte das Buch auch in dieser Reihenfolge gelesen werden.

Die einzelnen Erzählungen unterscheiden sich in der literarischen Umsetzung sehr voneinander. Der erste Teil ist wie der Name schon beschreibt in Form eines Tagebuches verfasst. Es ist stellenweise nicht orthografisch korrekt formuliert, wie man es sich für ein Tagebuch vorstellen kann.

Die Briefe aus Zedelghem sind Antwortschreiben an einen gewissen Sixsmith. Ein Musiker soll einen Komponisten unterstützen, wird aber seiner Ansicht nach nur ausgenutzt. Selbst die Affäre mit der Ehefrau des Komponisten hat den Segen des ehemaligen Meisters.

„Halbwertzeiten“ ist ein Spionagekrimi. Eine junge Reporterin bekommt Kontakt zu einem Wissenschaftler, der  ein Dossier über die Unsicherheit eines Kernkraftwerkes verfasst hat. Dieser Teil endet mit einem klassischen Cliffhanger.

Timothy Cavendish ist ein nicht sehr erfolgreicher Verleger, der über Nacht einen Bestseller in seinem Programm hat. Doch kann er den Erfolg nicht genießen und muss fliehen. Sein Bruder bringt ihn in einem Hotel unter, das sich als Altersheim entpuppt. Niemand kann dort entkommen.

„Somnis Oratio“ ist ein echtes Stück Science Fiction. Es spielt in einer schönen neuen Welt, die so schön und vor allem nicht neu ist. Konzerne haben die absolute Macht an sich gerissen und die Menschen zu reinen Konsumenten degradiert. Die Arbeit wird von Klonen übernommen, die sich in einem Dienstverhältnis verdingen müssen, das eindeutig Sklaverei ist.

Science Fiction, Krimi, Tagebuch und Briefverkehr. So unterschiedlich die literarischen Formen der Geschichten sind, so unterschiedlich scheinen auch die Inhalte zu sein. Doch der Schein trügt. Jede der Geschichten ist mit allen anderen verwoben. Diese Verwandtschaften und Querverweise zu entdecken, machen den Reiz des „Wolkenatlas“ aus.

Der „Wolkenatlas“ selbst ist ein Sextett, an dem der Musiker schreibt. Sixsmith, dem die Briefe geschrieben werden ist eine Person im Krimi und dort werden die Briefe auch gelesen. Ein Muttermal in Form eines Kometen zieht sich als Merkmal durch mehrere der Teile.  „Das grausige Martyrium des Timothy Cavendish“ wurde verfilmt und wird sich in der Mitte des nächsten Jahrhunderts angeschaut. Dies sind nur einige der Verweise.

David Mitchell fabuliert auf wunderbare Weise seine Geschichten aus. Stilistisch und inhaltlich unterscheiden sich die Teile voneinander und sind doch nur Puzzleteile eines Gesamtbildes, das sich dem Leser zur Gänze erst am Ende des Buches erschießt. Das Buch an sich ist schon spannend genug, doch erst die vielen kleinen und großen Aha-Erlebnisse während des Lesens machen die Lektüre zu einem echten und wahren Gesamt-Erlebnis.

Wer sich den Film schon angeschaut hat, sollte das Buch lesen. Denn auf über 650 Seiten erschließen sich noch viel mehr Details. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte das Buch lesen und dann entscheiden, ob so ein Werk überhaupt filmisch umgesetzt werden kann und sich dann fürs Kino entscheiden. Wer sich den Film sowieso nicht ansehen will, sollte das Buch gerade deswegen lesen, denn solch eine gute intelligente Unterhaltung zwischen zwei Buchdeckeln gibt es nicht oft.

Eine echte Empfehlung. Und ein Gutes hat die Verfilmung auf alle Fälle: Das Buch gerät in den Fokus des Interesses.

Der Wolkenatlas – David Mitchell. rororo 24141. November 2007. Sonderausgabe zum Film November 2012

Von Ralf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.