Die Verteidigung des Paradieses von Thomas von SteinaeckerDie Verteidigung des Paradieses von Thomas von Steinaecker. Verlag S. Fischer 2016. 416 Seiten. ISBN 978-3100014603

Nach der Zerstörung Deutschlands durch nicht näher genannte Sonnenstürme, haben sich einige Überlebende auf einer Almhütte zusammengerauft. Sehr unterschiedliche Charaktere wie Cornelius, der Ex-Chef eines Großunternehmens, Anne, die ehemalige nun immer mehr demente Krankenschwester, das Pärchen Chang und Özlem und Heinz. Der ist fünfzehn Jahre alt und hat eine seltene Gabe: Er kann Literatur zitieren, die er bewusst nie gelesen hat. Sein Begleiter ist ein High-Tech-Spielzeug in Form eines Fenneks. Zum Geburtstag bekommt er Schreibhefte und Stifte geschenkt und wird damit zum Chronisten der kleinen Gruppe. Diese muss die Alm verlassen, da die Tiere, von denen die Menschen leben, sterben.  Man packt die Sachen und ein Marsch durch das verseuchte, heiße Deutschland beginnt. Ziel ist ein Lager in Frankreich, von dem sich alle die Rettung erwarten.

Wer sich etwas mit der Phantastik auskennt, wird dieser Plot bekannt vorkommen. In „Mad Max“, Zelasnys „Straße der Verdammnis“ bis Mockats „MUC“ werden solche Reisen durch verseuchtes Gebiet mit all den Hindernissen beschrieben. Neu ist die Handlung also nicht. Auch das Spiel mit der Sprache, als es Heinz immer anstrengender wird, zu schreiben, kennen wir aus Keyes „Blumen für Algernon“.

Doch wer Geduld mit dem Roman mitbringt und die Lektüre nicht angeekelt ob der geschilderten Welt mit Gewalt, Haß und Mutanten, unterbricht, wird gegen Ende des Buches belohnt. Der Roman ist nicht nur eindimensional und beschäftigt sich ausschließlich mit der Reise der Gruppe. Die Person Heinz ist viel komplexer und nicht das, was sie über zwei Drittel des Buches vorgibt zu sein. Verschiedenste Ebenen tun sich auf und ziehen den Leser in den Bann. Welche der Realitäten, die der Junge zu verkörpern scheint, ist die wahre.

Nun liest sich der Roman in der Perspektive mit dem Wissen um das Ende gänzlich anders. Und nun machen die Experimente mit der Sprache auch Sinn.

Die Verteidigung des Paradieses ist damit kein einfacher Roman, da er eine lineare Erzählung bereits geschehener Ereignisse zu sein scheint. Dies aber nicht ist. Er verändert ganz zum Schluss noch die Perspektiven, die vorher so einfach erschienen. Dabei wirkt das Buch nie konstruiert, sondern ist an jeder Stelle schlüssig. Der Stil ist anspruchsvoll, ohne überheblich zu sein und darum liest sich der Text sehr flüssig.

Ein spannendes Buch, auf das man sich einlassen muss, dann aber eine Menge Lesespass hat. Und das bei einem sehr ernsten Inhalt.

Von Ralf

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