Dieser Volkszähler von China Miéville. Verlag Liebeskind 2017. 176 Seiten. ISBN 978-3954380718
Dieser VolkszählerAuf einem Berg oberhalb eines Dorfes lebt ein Junge mit Vater und Mutter ein einfaches Leben. Der Vater ist ein Schlüsselmacher, dies aber mehr im mystischen denn handwerklichen Sinne. Die Mutter versorgt den Haushalt und der Junge lebt in den Tag hinein. Kontakt zum Dorf und seinen Bewohnern gibt es nur wenig. Es verirren sich nur die Auftraggeber für neue Schlüssel auf den Berg. Doch dann muss der Junge ins Dorf, denn er glaubt, dass sein jähzorniger Vater seine Mutter umgebracht habe. Im Dorf gibt es nur eine Hilfspolizei und diese geht dem Verdacht nach. Die Mutter ist wirklich nicht mehr anwesend, hat aber einen Brief hinterlassen, der besagt, dass sie gehen würde. Der Junge beharrt auf seiner Aussage, muss aber dennoch weiterhin bei seinem Vater bleiben.
Bis ein Volkszähler vorbeikommt.
Der recht kurze Roman von Miéville hat es in sich. Die Handlung spielt in einer wohl postapokalyptischen Welt, beschreibt aber nicht, wie es dazu gekommen ist. Die Erzählperspektive ändert sich bisweilen gerade zu Beginn des Buches mitten im Satz von der personalen zum Ich-Erzähler. Auch die zeitlichen Ebenen sind nicht klar getrennt. Bisweilen wird die Handlung im Rückblick und mit Kenntnis der Geschehnisse geschildert und schwenkt dann wieder auf einen Ich-Erzähler, der sein Schicksal nicht kennt.
Über die Handelnden erfährt der Leser direkt nicht sehr viel, sondern er muss sich die Charaktere durch die Handlung erklären lassen. Warum die Mutter den Vater geheiratet hat, bleibt verborgen. Die latente Gewaltbereitschaft des Vaters erschließt sich durch die Beobachtungen des Jungen.
Der Roman ist trotz oder gerade ob seiner Kürze nicht einfach zu verstehen. Nur Weniges wird ausdrücklich beschrieben und erklärt. Das Meiste muss im Kopf des Lesers geschehen. Das Szenario ist recht düster und melancholisch. Die Menschen in dieser Welt haben keine Wünsche und Ziele und damit auch keine Liebe und keine Hoffnung. Sie haben sich mit dem Leben arrangiert, eine Zukunft ist fraglich oder gibt es nicht.
Dieser Volkszähler ist ein Stück moderne Phantastik, die nicht jedem Leser gefallen wird, denn man muss sich auf den Text einlassen, was manchmal nur sehr schwer gelingen mag.

Von Ralf

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