Zunächst einmal: Der Titel darf nicht mit For Whom the Bell Tolls von Ernest Hemingway verwechselt werden. Es darf spekuliert werden, warum für dieses Buch der Titel gewählt worden ist.

Die Protagonistin ist Lily ist die kürzlich gestorben und findet sich nun im Jenseits wieder. Genauer gesagt, in der Hölle. Sie ist zunächst wenig begeistert von ihrem Tod, doch je mehr sie sich im Leben nach dem Tod umsieht, desto faszinierter ist sie. Diese Hölle hat sie nicht erwartet. Hatte sie überhaupt etwas erwartet?

Die Hölle ist kein Ort der ewigen Qual, sondern bietet Arbeitsplätze, vor allem in der Bürokratie. Es gibt auch einen eigenen Kundenservice, „Hellp Desk“ genannt, wo Lily ihre Erfahrungen aus dem Leben im Kundendienst einsetzt, um erst einmal Ordnung zu schaffen. Sie gibt sich eine Aufgabe und trifft dabei auf Bel, einen Dämonengeneral, der einen gewissen Charme hat. Zwischen den beiden entsteht Freundschaft. Parallel dazu gibt es dunklere Bedrohungen, Geheimnisse, und Konflikte, die weit über persönliche Beziehungen hinausgehen.

Lily nutzt Humor und Sarkasmus, weil sie in einer so unerwarteten und absurden Situation ist, mit der sie nicht gerechnet hat. Viele Szenen leben davon, dass sie nicht nur leidet, sondern sich auch über Situationen beklagt, und versucht, die Regeln zu verstehen und wie die Hölle funktioniert.

Deshalb ist das Motiv des Kundendienstes relevant. Lily mit ihrer Erfahrung in diesem Bereich bringt Struktur in ein chaotisches System. Die Idee, dass auch in der Hölle Regeln, Prozesse und Zuständigkeiten gelten, ist genial. Jeder weiß dies, der einmal mit einem Kundenservice telefoniert hat.

Lily hinterfragt sich selbst. Was hat sie im Leben vor der Hölle geleistet und ist sie zufrieden damit.

Das Afterlife ist sehr fantasievoll konstruiert. Es gibt verschiedene viele Dinge, sie es im Leben auch schon gegeben hat, wie z.B. die Bürokratie. Hinzu kommen aber Götter und Dämonen.

Mit einem Umfang von 848 Seiten lässt sich erahnen, wie das Buch aufgebaut ist. Es nimmt sich viel Raum nimmt, um etwas zu erzählen. Viele Leser könnten das Tempo als langsam empfinden, besonders in Abschnitten, die eher auf Charakterentwicklung oder Dialoge, denn auf Action setzen.

Die Figur der Lily bekommt dadurch Raum und viel Platz für die Beschreibung des Charakters. Sie hat Raum auf den vielen Seiten, um sich zu reflektieren und zu hinterfragen. Als Protagonistin ist sympathisch und wirkt verletzlich. Ihre Entwicklung nach dem Tod wirkt glaubwürdig. Bel als Gegenpart ist gut gewählt und bringt Spannung in die Handlung.

Das Buch wird sicher die Leser finden, die diesen Stil lieben werden. Es wird aber auch Leser geben, die es gerade dadurch für zu langatmig halten. Der Umfang kann abschrecken. Manche Passagen ziehen sich über viele Seiten, insbesondere wenn viele Nebencharaktere und neue Handlungsebenen beschreiben werden, die den Roman nicht weiterbringen, sondern scheinbar um ihrer selbst vielen eingefügt wurden. Einige Dialoge sind vielleicht zu langatmig und nicht jede humorvoll gemeinte Szene wird so begriffen werden.

Leser, die ein schnelleres Tempo erwarten, könnten sich dadurch gelangweilt fühlen.  Verwirrt werden könnten auch die Leser, die Romane mit vielen Namen, Charakteren, verschiedenen Ebenen nicht zurechtkommen. Wer in diesem Sub-Genre nicht zuhause ist, muss sich erst einarbeiten.

Die Stärke des Buches ist die Kulisse der Hölle.  Die Idee, das Jenseits und hier speziell die Hölle, mit Humor, Bürokratie und Kundenservice zu verknüpfen, ist neu und unverbraucht. Viele Stellen sind witzig, wenn man diese Art von Humor mag.

Alles in allem ist For Whom the Belle Tolls ein Buch, das herausfordernd ist. Es ist eine Art von Roman, den man lieben muss oder eben nicht. Kommt halt auf den Leser an. Im Genre der Romantasy wird kann es ein relevantes Werk werden.

Eines ist noch anzumerken: Das Buch ist mit einem farbigen Schnitt und einem Die-Cut Schutzumschlag sehr ansprechend gestaltet worden.

Von Ralf