Der Fall Guttenberg oder eben Guttenbergs Fall liegt nun fast ein Jahr zurück und es scheint an der Zeit zu sein, sich mit der Affäre, dem Menschen und den Auswirkungen zu beschäftigen.
Es geht es um den beliebtesten Politiker der Deutschen wie die Autoren richtig erkannt haben, um einen politischen Star, um einen Hoffnungsträger. Wie konnte es dazu kommen, dass dieser Mensch Knall auf Fall ins negative Rampenlicht geriet und seine Posten abgegeben hat. Was hat Karl-Theodor zu Guttenberg so zusetzen können, dass er gezwungenermaßen seine politische Karriere abbricht und ins (amerikanische) Exil geht.

Ausgangspunkt ist nicht seine politische Tätigkeit zuletzt als Verteidigungsminister. Zu Guttenberg, der von vielen schon insgeheim als Kanzlerkandidat für die nächste Wahl angesehen wurde, stolperte über seine Doktor-Arbeit. Aber eigentlich über sich selbst und seine Art der Krisenarbeit.

Eher zufällig beschäftigt sich ein Professor aus Bremen mit der Arbeit von Zu Guttenberg. Er möchte sie für ein Seminar verwenden. Eigentlich wollte er nur überprüfen, ob eine Textpassage aus einer Rede des Politikers entnommen wurde und musste dann feststellen, dass sie aus einem Zeitungsartikel stammt. Was ja noch gar nicht verwunderlich ist und legitim: Doch es fehlt der Quellennachweis. Die Passage erscheint, als wäre der Text vom Verfasser selbst und nicht ein Zitat. Die weitere Such ergab, dass es nicht nur eine Stelle ohne Quellennachweis gibt. Und so nahm alles seinen Anfang und seinen Lauf. Über persönliche Kontakte landet die Information bei der Suddeutschen Zeitung. Hier ist man zunächst vorsichtig und prüft die Vorwürfe bzw. lässt sie prüfen. Doch die Meldung ist wasserdicht. In der Arbeit ist munter abgeschrieben und aus anderen texten übernommen worden ohne Quellenangaben und ordnungsgemäßes Zitieren. Die Doktorarbeit ist ein Plagiat!

Bei der Süddeutschen Zeitung zeigt man sich erst einmal unaufgeregt und diese Gelassenheit findet sich auch seitens Guttenberg, der auf die Vorwürfe angesprochen wird. Die Presse stuft den Artikel mit mittlerer Priorität ein. Die Online-Medien reagieren dennoch schnell, flächendeckend und offensiv. Dies ist keine Randnotiz, diese Meldung hat auch politische Brisanz.

Guttenberg gibt sich gelassen und verspricht bei einer Neuauflage Korrekturen, dementiert dabei aber die Mitarbeit des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundestagsverwaltung. Diese Mitarbeiter erstellen Dossiers für die Abgeordneten zu allen möglichen Fragestellungen, sind aber nicht Zuarbeiter für Doktorarbeiten.

Diese Erklärung sehen die Autoren als ersten Fehler an. Denn nun hat er Stellung bezogen und Aussagen getätigt, die er nicht mehr zurücknehmen kann.

Die Internetgemeinde springt nun an und zeigt auf einer eigenen Plattform auf, dass die Arbeit zum größten Teil nicht aus der Feder Guttenbergs stammt. Die Aussage, dass es sich um ein paar Zitierfehler handele, ist nicht aufrecht zu halten.

Die Politik reagiert noch mit Zurückhaltung. Kanzlerin Merkel ist „interessiert“, mehr aber nicht. Auch Seehofer reagiert noch nicht. Alle scheinen diesen Meldungen noch keine weitere Bedeutung zumessen zu wollen.

Doch die Dynamik des Netzes und auch der anderen Medien scheint unterschätzt worden zu sein. Es baut sich immer mehr Druck auf.
Guttenberg, der Saubermann unter den Politikern, der straighte Karrierist, der Mann, der die Bundeswehr umstrukturieren will und wohl auch gute Chancen hat, dies zu erreichen, beginnt zu wanken.

Wer ist nun dieser Karl-Theodor zu Guttenberg? Die beiden Autoren stellen ihn als schonungslosen Chef dar, der seine Untergebenen bei Fehlern sofort fallen lässt und sich nicht vor sich stellt. (S. 40ff). Er scheint nach außen – bislang – ebenso mit sich umzugehen. Fehler werde nicht toleriert. Er gerät nicht in den Geruch der Vetternwirtschaft. Niemand wirft ihm Korruption oder Amtsmissbrauch vor, niemand Bereicherung oder Fehler in seiner Amtsführung als Minister. Die Autoren finden, dass dies für ein mögliches Comeback noch einmal wichtig werden kann.

Guttenberg gerät aber nun so unter Druck, dass er auf das Tragen des Doktor-Titels zunächst verzichten will. Inzwischen beschäftigt sich seine Universität mit den Vorwürfen. Sie hat zwei Fragen zu klären. Ist die Arbeit wirklich ein Plagiat. Hat Guttenberg nur schlampig gearbeitet oder hat er versucht, zu betrügen. Ein weiteres Problem der Hochschule ist aber auch interessant: Wie konnte die Arbeit mit „summa cum laude“, also mit der Bestnote bewertet werden, wenn sie entweder schlampig erstellt oder ein Plagiat ist. Wie konnte sich der Doktorväter und auch der Zweitprüfer nur so irren. Der gesamte Wissenschaftsbetrieb gerät nun auch ins Rampenlicht und muss sich erklären. Kritik an der Gutgläubigkeit der Doktorväter kommt auf oder war es „nur“ Nachlässigkeit. Aber die Autoren nehmen den Doktorvater in Schutz, denn er hat sich von Guttenberg, seinem Charme und seinem Auftreten wohl blenden lassen und nicht selbst die Fehler gemacht. Nun denn, es bleibt dennoch peinlich.

Die Universität reagiert schnell. Schneller als es sonst üblich ist. Dem Minister wird der Doktortitel aberkannt, weil die Arbeit nicht den Anforderungen genügt. Was aber noch viel kritischer ist, dass Guttenberg Vorsatz vorgeworfen wird. Er habe also absichtlich betrogen.

Für zu Guttenberg ist dieses Urteil vernichtend. Es bedeutet, dass er mit Absicht schlecht gearbeitet hat. Dies hatte er ja immer bestritten. Er ist nun ein Täuscher und hat die ganze Zeit seine Verfehlungen nicht zugegeben, sondern immer betont, dass es seine Arbeit, zwar mit wissenschaftlichen Mängeln, aber eben sein geistiges Eigentum ist. Nun gibt es kein Zurück mehr. Seine Glaubwürdigkeit ist dahin. Wie soll so ein Minister Bestand haben. Merkel bittet zum Gespräch!
Am nächsten Tag tritt zu Guttenberg zurück.

Interessant ist aber die Frage, warum er als Minister zurückgetreten ist, obwohl Volkes Meinung, sogar die der BILD-Zeitung, immer noch für ihn war. Auch nachdem er den Dr. abgegeben bzw. aberkannt bekommen hat. Mit A. Merkels Aussage, dass sie keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen habe, sondern einen Verteidigungsminister beginnt der Prozess hin zur Abdankung.

Doch zu Guttenberg scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein: Silvana Koch-Mehrin, Jorgo Chatzimarkakis, Matthias Pröfrock und selbst der Kultusminister Bernd Althusmann rücken ins Rampenlicht. Während die ersten drei Kandidaten ihren „Dr.“ verlieren, kommt Althusmann mit einem blauen Auge davon. Ihm wird einfach nur Schlampigkeit und schlechte Arbeit nachgewiesen. Er darf seinen Titel weiter tragen.
Aber die Suche geht weiter und nicht immer sind es Spitzenpolitiker, die geschummelt oder getäuscht haben. Die Online-Plattformen suchen weiter.

Fazit: Für die Wissenschaft ist die Doktor-Arbeit von zu Guttenberg ein Betrug, für die Politik ist er als Minister nicht tragbar, aber aus Sicht der Justiz ist Guttenberg kein Schwerverbrecher.
„Guttenberg hat in dem Skandal viel verloren. Dennoch steht er weiterhin erstaunlich gut da.“ (S. 177)

Die Autoren Preuß und Schultz zeichnen die Chronologie des Fall Guttenbergs minutiös nach. Doch das ist nur die eine Hälfte des Buches. Sie versuchen auch, die Affäre zu bewerten und in den aktuellen Kontext von Politik und Gesellschaft zu bringen. Politiker waren in Deutschland immer wieder in Affären verstrickt, doch in der Zeit des Internets wird es immer einfacher und es geht schneller, Informationen darüber zu verbreiten. Politiker haben heute nicht mehr das Ansehen wie vor 50 Jahren. Was den Autoren allerdings nicht gelingt, ist eine Charakteranalyse des Menschen Karl-Theodor zu Guttenberg. Hier wird nur ein wenig an der Oberfläche gekratzt. Die Einordnung und der Vergleich mit anderen Skandalen gelingen aber ganz gut. Das Buch ist auf alle Fälle eine gute Dokumentation des Ablaufs vom ersten Verdacht an der bis zum Rücktritt des Ministers. Hervorzuheben ist hier auch der Abdruck der wichtigsten Dokumente der Affäre.

Das Buch ist in seinem flotten Stil geschrieben und leicht zu lesen, bisweilen ist die Schreibe vielleicht ein wenig zu beschwingt. Es ist keine wissenschaftliche Arbeit, wie die Autoren extra betonen, doch es gibt eine Menge an gut recherchierten Anmerkungen. Die Autoren beziehen Stellung und vertreten ihre Meinung, aber dies ohne erhobenen ideologischen Zeigefinger und recht sachlich.

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Die Autoren:
Roland Preuß. Jahrgang 1973. Er studierte Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaft. Seit 2005 Politik-Redakteur der Süddeutschen Zeitung.
Tanjev Schultz. Jahrgang 1974. Promotion an der Universität Bremen in Politikwissenschaft. Redakteur mit Schwerpunkt Bildungspolitik bei der Süddeutschen Zeitung.

Das Buch erscheint in Gütersloher Verlagshaus

Bestellt werden kann es über

http://www.randomhouse.de/Buch/Guttenbergs-Fall-Der-Skandal-und-seine-Folgen-fuer-Politik-und-Gesellschaft/Roland-Preuss/e399820.rhd?edi=399820

Das Lese-Exemplar wurde über  http://www.bloggdeinbuch.de/ zur Verfügung gestellt.

Von Ralf

Ein Gedanke zu “Gutenbergs Fall von Roland Preuß und Tanjev Schultz. Gütersloher Verlagshaus.”

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